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  Gedenkrede auf DAG HAMMARSKJÖLD  
           
   


von seinem Nachfolger in der Schwedischen Akademie

ERIK LINDEGREN

bei seinem Eintritt in die Akademie am 20, Dezember 1962


In dem kleinen Buch von Bertil Ekman kann der psychologische Botaniker verschiedene Keime der Lebensanschauung des reifen Dag Hammarskjöld finden. Es heißt in diesem Buchs "Ein Unsterblichkeitsglaube nur im Gedanken und Gefühl genügt nicht, er muß in den Lebenswillen selbst eindringen, der sich dann. zutiefst dem Tode hin richten wird. Der Tod soll nicht zu jedem kommen, sondern jeder soll an den Tod herankommen. . .“ Und weiter: "Der Tod soll Sehnsucht nach dem Leben, nicht von dem Leben geben» Wann wird die Frische des Todes unsern Gang auf der Erde federnd und leicht machen ? Wo das Leben als Schwerkraft wirkt, steht der Tod als Hebekraft. V/o das Leben trennt» vereint der Tod." Man vergleiche damit Dag Hammarskjölds seelenverwandte und doch in ihrem Kern abweichende Meditation aus der New Yorker Zeit: "Nicht die Erde belasten - Kein pathetisches Exzelsior, nur dieses Einfache: nicht die Erde belasten."
In Dag Hammarskjölds Freundeskreis gab es auch eine Begeisterung für das Hochgebirge, die im Grunde, wenn sie auch eine Injektion durch Bertil Ekman bekommen hatte, ein letzter Abglanz des Übermenschen, Nietzsches Zarathustra, war. Aber die Gebirgsweite symbolisierte auch Ibsens Brand, d.h. den Brand, der dem Unheil entflohen war, in das seine eiserne Kompromisslosigkeit und Überzeugung seiner Berufung andere Menschen gebracht hatten - und zutiefst den Sinn seines eigenen Werkes. Ein Echo dieses großartigen Experiments in Kirkegaards Existentialismus tönt in Dag Hammarskjöld weiter als eine tragische Antwort auf die Pflichtmoral der früheren Generation und allmählich auch auf die Überzeugung seiner eigenen Berufung. Vor allem natürlich die berühmten Schlußzeilen:
Gilt für die Erlösung nichts
des Menschenwillens quantum satis - ?
Er ist deus caritatis !
In den Aufsätzen, die Dag Hammarskjöld in der Regie des Schwedischen Touristenvereins drucken ließ, begegnet uns vor allem der scharfäugige Naturbetrachter und kluge vermittelnde Naturpfleger aber ab und zu auch eine "Natursolidarität"

Er war selbst ein problematischer Mensch, er liebte Probleme und wurde von scheinbar unlösbaren Problemen angespornt. Man könnte hinzufügen, daß es selbständige, hochbegabte Menschen gab, mit denen er nicht gern unter demselben Dach verkehrte. Seine "Peilung" einer Persönlichkeit geschah immer blitzschnell, und wenn er keinen klaren Wellenton bekam, wurde er selbst oft konventionell oder korrekt ablehnend. Nach seiner Inspirationskraft zu beurteilen - und hier spreche ich aus eigener Erfahrung - war er in vielem ein "Heros". Um diesen Eindruck definieren zu können, zitiere ich am besten Sigfrid Lindströms Sancho Pansa:
Und es kommt einmal, wenn ihr am besten lacht, ein kluger Don Quijote auf einem besseren Pferd.
Daß ich gerade diese Zeilen wähle, kommt vielleicht daher, daß ich einmal viel von Garry Davis' Cyrano-Geste erwartete, als er seinen Paß zerriß und sich als Weltbürger erklärte. Das war in den 40er Jahren eigentlich eine typische Wahl zwischen dem Unmöglichen und dem Gleichgültigen, wie Karl Vennberg es ausdrückte. Trotz der besten Regie französischer Intellektueller, an der Spitze Albert Camus, erwies sich Garry Davis bald zu klein für die Rolle, was wohl leider von Anfang an zu erwarten war.
Doch, wenn ich rein theoretisch Dag Hammarskjöld als den neuen Don Quijote erlebte, erlebte ich ihn persönlich nach einer ersten Begegnung als den Heros, den Emerson beredt beschreibt: "Selbstvertrauen ist das Wesen des Heroismus. Er ist die Seele in einem Zustand des Krieges, und sein äußerster Ausdruck ist ein unbeugsamer Widerstand gegen Falschheit und Ungerechtigkeit und eine Fähigkeit, alles zu ertragen, was die Werkzeuge des Bösen anrichten können. Er spricht die Wahrheit; und er ist gerecht, freigebig, mäßig, kleinlichen Berechnungen überlegen und gleichgültig gegen das Gerede der Menschen. Er vollführt sein Ziel bis zum äußersten; er besitzt einen Mut, den nichts erschreckt, eine Kraft, die nichts erschöpft. Sein Scherz gilt der Gemeinheit des gewöhnlichen Lebens. Die falsche Umsicht, die sich nur mit Wohlbefinden und Erwerb beschäftigt, betrachtet er mit tieferer persönlicher Art. Wer diese "Natursolidarität" näher studieren möchte, hat vielleicht anfangs große Lust, selbstironisch folgende Strophe von einen seiner Lieblingsdichter, Birger Sjöberg, zu zitieren.

Laßt uns nun achtsam rekonstruieren !
Behutsam - mit Ahnung und mit Erfahrung. Sparsam Worte verwenden die allzu phantastisch vermehren ! Das allzu Poetische, allzu Ästhetische sei fern von unserer Tat ! Studieren wir sachlich ! Kein Neid und Verdruß ! Einmütige Meinung: Das Schöne spürt man hier in dem Toten. Wahrscheinlich auch eine Kündende Liebe -vermutlich träumend womöglich heiß.
Dag Hammarskjölds Freunde kennen jedoch recht wohl den romantischen Jüngling, der das Hochgebirge „das Land, das nicht ist“ - dieses "Hohelied der Sehnsucht" unserer Dichtung - nannte. Sie haben Aufzeichnungen wie die folgenden gelesen: "Im Herbst der Wildnis: das Leben als Selbstzweck auch in seiner individuellen Vernichtung,, die hohe Klarheit des Ausblicks, die Stille des Nahen im Erlöschen - zu dem Erschießungskommando könnte ich heute Abend Ja sagen, nicht aus Müdigkeit oder Trotz, sondern im hellen Vertrauen der Zusammengehörigkeit. - Dies in mein Leben unter Menschen einführen," Öder dieses, wenn man will, pantheistische Erlebnis: "Der milde Ostwind des Lapplandherbstes rollt das ausgetrocknete Flußbett hinunter. An den Ufern rütteln die gelben Birken im Sturm. Die ersten Takte der großen Vernichtungshymne. Nicht eine Hymne an die Vernichtung oder aus der Vernichtung. Wicht eine Hymne trotz der Vernichtung. Sondern der Untergang der eine Hymne ist."

Ironie und belustigtem Staunen ... Was mich aber ans meisten an die heroische Menschenart sieht, ist ihr unwandelbares freundliches Wesen ... Diese seltenen Seelen schätzen das Urteil anderer, ihren eigenen Erfolg und ihr Leben so gering, daß sie ihre Feinde nicht durch Angebote und Bitten oder durch ein Zeichen der Mutlosigkeit versöhnen wollen, sondern zeigen sich unverändert in ihrer natürlichen

Das Kompromißlose dieses Heros zeigte sich gerade in seinem Kampf für den Kompromiß; er manifestierte sich auch federleicht in seiner Antwort an den englischen Dichter Auden, als dieser bei einem Telefongespräch verlegen erklärte9 er hätte das Auftreten des Generalsekretärs während der schweren russischen
Vorwürfe in der UNO-Generalversammlung im Herbst 1960 mit größter Sorge verfolgt, worauf dieser entgegnete: "Ach, machen Sie sich keine Sorgen tun mich ! Es war eine herrliche Zeit!"
Das Jungenhafte in Dag Hammarskjölds Wesen erweckte das Jungenhafte auch in Menschen, die sonst ihre Ehre in mehr oder weniger tiefsinnige Grübeleien setzen. Er konnte, wie vielleicht sonst keiner in unserer Zeit, auf eine sinnvolle Weise" die Versuchungen" des modernen Heroismus verkörpern - wenn man aber nur einen Augenblick in diese "Versuchungen" gefallen war? könnte man leicht als eine banale Reaktion seine Tiefendimensionen, seinen Idealismus und auch die Intensität seiner kulturellen Interessen unterschätzen.
(...)
Man hat in Schweden wie im Ausland in Frage gestellt, ob Dag Hammarskjölds ästhetische und literarische Interessen mehr als eine Form von Snobismus seien; eine schöne Dekoration - oder ob sie wirklich "in die Tiefe gingen". Dazu möchte ich zuerst sagen, daß vieles von dem, was Dag Hammarskjöld spontan schätzte, den ästhetischen Konservatismus schockierte, der wohl oft in höheren bürgerlichen Kreisen vorkommt, wahrend sein Geschmack in der Tat auf gleicher Stufe wie das moderne ästhetische Schaffen war. In den Übersetzungen, die er in den letzten Jahren machte, fanden gewisse Seiten seines Wesens einen künstlerischen Ausdruck.

 

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