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  Nathan Söderblom und »Der neue Mensch«  
           
   

 

Mentor und Religionslehrer Dag Hammarskjölds

Nähern wir uns der Idee des Geistesmenschen (homo humanus integralis), wie sie von Erzbischof Nathan Söderblom (1866–1931) in seinem Vermächtniswerk »Von der Wirklichkeit Gottes«9 in christlich-
protestantischer Sprache formuliert wurde.
Im 5. Kapitel dieses 45-Seiten-Büchleins, schreibt Söderblom über die Kennzeichen des neuen Menschen: »Was von dem Meister berichtet wird, dass er allein auf die Berge stieg und häufig in der Einsamkeit der Wüste weilte, gilt sowohl für die Männer vor ihm als auch von all seinen treuen Jüngern. […] Die Einsamkeit wird gesucht, damit der Mensch umso besser Gottes Stimme hören kann. […] Die sittliche Selbstständigkeit, die geistige Persönlichkeit, »der neue Mensch« wird ebenso wenig nach einem [dogmatischen] Rezept gemacht, wie auch die Werke des Genius nicht nach einer fertigen Regel zustandekommen, sondern in dem »neuen Menschen« erscheint ein über die Natur erhöhtes Leben, das sein Prinzip in sich trägt.«


Über das Charisma des Verwandelten, des Individualisierten,
des Initiierten, schreibt Söderblom: »Das Kennzeichen einer wirklichen Gebetserhöhung, nicht bloß einer mit künstlichen Mitteln zustande gekommenen Suggestion, hat man seit alters daran gesehen … durch eine neu verliehene Kraft«, einer »Ruhe zur Arbeit trotz stürmischer Angriffe, bitterer Missverständnisse und schwerer Unglücksfälle.« Und der im interreligiösen Dialog engagierte, querdenkende Erzbischof stellt fest: »Aber das Kreuz auf Golgatha ist nicht zu Hause in der Welt der Liturgie oder der Gedankensysteme.
[…] Gott besucht die Menschheit … brutal und merkwürdig
genug in jener Geschichte, die alle mit ihren eigenen Augen sehen können.« Die Nachfolge Jesu, die alle sehen könnten, wenn sie sehen – lernen – wollten.

Der Dialog zwischen den Kulturen. Nathan Söderblom war nicht nur ein Prediger des Wortes, sondern auch ein Charismatiker der Tat. Durch seine internationale und überkonfessionelle Kirchenpolitik wurde Uppsala in dieser Zeit ein weltbekanntes Zentrum der ökumenischen Bewegung. Im Jahr 1925, der Student Dag Hammarskjöld war gerade 20-jährig, organisierte Söderblom zwei ökumenische Weltkonferenzen zu Fragen des Christseins in der Moderne.

Erzbischof Söderblom, dessen jüngster Sohn Jon Olof Klassenkamerad und Schulfreund Dag Hammarskjölds war, ist kein Parteibuchfunktionär einer dogmatischen und selbstverliebten Christentümlerei. So schreibt er auf Seite 33 seines Werkes »Von der Wirklichkeit Gottes«: »Was für eine Bedeutung haben denn tatsächlich unsere Kirchen und unsere religiösen Gemeinschaften für die Menschen, die heute mit Kopf und Herz an der Arbeit sind? Was denkt Gott darüber? Sicherlich stehen wir und unsere Christenheit als Angeklagte vor ihm.« Und zwei Seiten weiter folgert er: »Das Bekenntnis zum lebendigen Gott kann verbunden sein mit einem Leben, das keineswegs von ihm Zeugnis ablegt. Umgekehrt kann Gottes Kraft bei Menschen hervortreten, welche nicht an ihn glauben. «Söderblom, zeitweilig auch Theologieprofessor in Leipzig, erhält 1930 den Friedensnobelpreis für seine Arbeit der interkulturellen Versöhnung und Völkerverständigung. In den Häusern von Nathan Söderblom und Hjalmar Hammarskjöld, Mitglied des Komitees für die Vergabe des Nobelpreises für Literatur, verkehren die Repräsentanten von Kultur und Geist aus aller Welt. So auch Rabindranath Tagore (1861–1941), der Literatur-Nobelpreisträger von 1913, bei seinen Europareisen. Tagore, unter anderem Gründer der indischen Philosophie-Schule »Shantiniketan« (Wohnstätte des Friedens), heute eine staatlich geförderte Universität, begegnete auch Nathan Söderblom dem jungen Dag Hammarskjöld. In dessen Todesjahr 1961 wird im Freiburger Hyperion Verlag die Übersetzung des Tagorewerkes Towards Universal Man unter dem Titel Die Einheit der Menschheit erscheinen.
Auch diese Ereignisse und diese Persönlichkeiten gehören zum Zeitgeist (nicht nur) des Ortes Uppsala. Wir werden diesem Geist in der überkonfessionellen Biografie des Kosmopoliten und späteren UN-Generalsekretärs immer wieder begegnen. Zeitweise
befasste sich Dag Hammarskjöld mit dem Gedanken, Theologie zu studieren, entschied sich dann aber dagegen. Geboren 1905, in jenem Jahr, in dem Söderblomsinterkulturelles und friedenspädagogisches Werk »Die Religionen der Erde« erschien, war in Dag Hammarskjöld ein noch viel weitreichenderes Licht im Aufscheinen begriffen.
In seiner Rede »An Instrument of Faith« (Ein Instrument des Vertrauens) am 20. August 1954 vor der Zweiten Versammlung des Weltkirchenrates in Evanston, US-Bundesstaat Illinois, erinnert Dag Hammarskjöld an seine Zeit in Uppsala: »Als Student erlebte
ich […] den Anbeginn der Ökumenischen Bewegung, und ich lernte einen ihrer begeisterungsfähigsten Leiter, Erzbischof Nathan Söderblom, schätzen.«

 

 

 

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